Anspruch des Handelsvertreters auf Abfindung
Die §§ 89 a und 89 b HGB regeln die Umstände, nach denen der Handelsvertreter bei Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Kaufmann einen Abfindungsanspruch erwirbt. Dabei dürfte der Abfindungsanspruch nach § 89 a Abs. 2 HGB regelmäßig umstritten sein, setzt er doch eine Kündigung des Vertrages durch den Handelsvertreter voraus, die durch das Verhalten des Kaufmanns begründet ist. Die Klärung der Frage, ob ein solcher Anspruch entstanden ist, obliegt Rechtsanwälten und Gerichten. Aber auch die Fallsituationen in den übrigen Vorschriften lassen hinsichtlich der Bewertung des Anspruchs wegen einiger unbestimmter Rechtsbegriffe und Abgrenzungsschwierigkeiten Streit der Parteien erwarten. Was das anlangt, sind die Organe der Zivilgerichtsbarkeit gefordert.
Die Aufgabenstellungen, für die der Steuerberater in Betracht kommt, sind dennoch schon in der Streitphase über Grund und Höhe des Anspruchs angesiedelt, insbesondere wenn gerichtliche Auseinandersetzungen anstehen:
- die Höhe des Anspruchs ist durch ein wirtschaftlich/rechtliches Bewertungsverfahren zu ermitteln;
- der (in der Regel) bilanzierungspflichtige Kaufmann hat für die Risiken des Rechtsstreits (Prozeßkosten und voraussichtliche Inanspruchnahme) durch Rückstellungen vorzusorgen;
- falls bilanzierungspflichtig oder freiwillig bilanzierend, hat auch der Handelsvertreter für ihn betreffende Kosten der Rechtsverfolgung Rückstellungen zu bilden.
Kern dieser Fragen ist die Bewertung des Anspruchs; die Verarbeitung der Zahlungen in den jeweiligen Buchhaltungen und die Einarbeitung in die Erklärungen ist für den Steuerberater Routine (nb: Die erhaltene Abfindung des Handelsvertreters zählt zu den laufenden gewerblichen Einkünften, auch wenn sie im zeitlichen Zusammenhang mit der altersbedingten Aufgabe des Gewerbes steht, BFH-Urteil v. 09.02.2011 IV R 37/08).
Höchstbetrag
Gesetzlich festgelegt ist der Höchstbetrag für eine Abfindung: "Der Ausgleich beträgt höchstens eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses ist der Durchschnitt während der Dauer der Tätigkeit maßgbend" (§ 89 b Abs. 2 HGB).
Weiteres regelt die Vorschrift, daß erhebliche Vorteile, die der Kaufmann durch die Tätigkeit des Handelsvertreters in den auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses folgenden Jahren haben wird, unter Billigkeitsgesichtspunkten auszugleichen sind (§ 89 b Abs. 1 S.1 HGB). Die hierfür anzustellenden Berechnungen können den Höchstbetrag naturgemäß nur noch mindern, es fragt sich nur, um wieviel.
Rohausgleich
Ermittlung der Provisionen durch Geschäfte mit Neukunden oder Vertragserweiterungen mit Altkunden, die wirtschaftlich einem Neukundengeschäft gleichkommen, des Handelsvertreters in den letzten 12 Monaten seiner Tätigkeit (Basisjahr);
Abschätzung der Frist, innerhalb derer sich die Vorteile des Handelsvertreters aus dem von ihm geschaffenen Kundenstamm verflüchtigen werden (etwa 3 - 5 Jahre);
Schätzung der Abwanderungsquote aus dem vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamm (inwieweit es hiermit zu Doppelzählungen mit dem vorstehenden Rechenschritt kommt, könnte streitig werden);
Diese Einflußgrößen werden gemäß folgender Kalkulation berücksichtigt, wobei die künftigen Vorteile abgezinst werden (im Beispiel mit 5% p. a.).
Beispiel:
Nr. | Sachverhalt | Betrag in € |
1 | Provisionseinnahmen der letzten 12 Monate | 250.000,00 |
2 | Abzugsposten für ersparte Aufwendungen (z. B. Schauraum) | 25.000,00 |
3 | Zwischensumme | 225.000,00 |
4 | Abwanderungsquote im 1. Jahr 5% | 22.500,00 |
5 | Abwanderungsquote im 2. Jahr 5% des Vj. | 20.250,00 |
6 | Abwanderungsquote im 3. Jahr 5% des Vj. | 18.225,00 |
7 | Zwischensumme | 164.025,00 |
8 | Abzinsung | 22.334,00 |
9 | Korrektur für Billigkeitserwägungen (z. B. § 89 a Abs. 2 HGB) | 50.000,00 |
10 | Rohausgleich | 191.691,00 |
Der Rohausgleich ist dem Höchstbetrag gegenüberzustellen: Gesetzt den Fall, das Provisionseinkommen der letzten 12 Monat entspräche dem Durchschnittsbetrag der letzten 5 (oder weniger) Tätigkeitsjahre des Handelsvertreters, beliefe sich sein Anspruch auf die Höhe des Rohausgleichs.